Der Kampf zwischen den Mächten der Finsternis und den Lichtgestalten tobt überall auf der Welt - aber ganz besonders in Berlin. Die Berliner können das Licht gar nicht so schnell an und ausknipsen, wie es von ihnen verlangt wird. Es ist noch nicht lange Jahre her, da lief die Aktion „Licht aus, für unser Klima“. Ganz Berlin, darunter das Brandenburger Tür, der Funkturm und der Berliner Dom lagen im Dunkeln. Alle machten mit bei der „größten Umweltaktion des Jahres“, laut BILD „ein Zeichen an alle Zögerer, Relativierer und Abwiegler“.
Im gerade vergangenen Oktober trat an die Stelle des Lichtfastens eines der „größten und bekanntesten Illuminationsfestivals und Public Events der Welt“, genannt „Festival of Lights“. Diesmal strahlten die Berliner Sehenswürdigkeiten hell und bunt, darunter wie zuvor abgedunkelt, das Brandenburger Tor, der Fernsehturm und der Berliner Dom. Auch das für eine bessere Welt, denn, so schreibt der Veranstalter, „Millionen beeindruckende Bilder schaffen weltweit enorme Nachhaltigkeit für Berlin“. Weiter lernen wir: „Licht ist Leben, Licht ist Energie, Licht spricht alle Sprachen und Licht verbindet Menschen“. Licht ist also nicht nur nachhaltig sondern auch multikulti, eins zu Null für die Berliner Illuministen.
Kaum hatten wir uns mit diesem bestechenden Gedanken angefreundet, traten am vergangenen Samstag wieder die Freunde der Dunkelheit in Aktion. Der „Aktionstag Berlin spart Energie“ rief im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt die Hauptstädter zum Mitmachen auf, wobei wir hier bereits im Titel einen gewissen Widerspruch entdeckten. Wollt Ihr Aktion oder wollt Ihr Energiesparen, ja watt denn nu? Beides passt nicht recht zusammen. Wer Energie sparen will sollte im Bett bleiben und nix tun, allenfalls die Decke über den Kopf ziehen, eine Vorgehensweise, die wir der Berliner Senatsverwaltung sogar ganzjährig empfehlen würden. 365 Tage nix tun für eine bessere Welt. Klappt garantiert.
Stattdessen wurden die Berliner auf „Thementouren“ durch die Hauptstadt gehetzt, die in Tateinheit mit „Beratungsangeboten“ vor Ort „Handlungsimpulse“ auslösen sollten. Ja um Gottes Willen, wer hat sich denn das ausgedacht? Wie formulierte es der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph Blaise Pascal schon im 17. Jahrhundert so schön: „Alles Unheil dieser Welt geht davon aus, dass die Menschen nicht still in ihrer Kammer sitzen können.“
Erschienen in DIE WELT am 09.11.2012