Bis zum Jahre 2020 kann die europäische Automobilindustrie 80 Milliarden Euro Unterstützung von der Europäischen Kommission erwarten. Das hat Industriekommissar Antonio Tatjani in seinem Hilfsprogramm Cars 2020 in Brüssel angekündigt. Die Staats- und Regierungschefs werden darüber noch im November beraten. Dazu fallen mir einige Fragen ein, über die die Bürokraten offensichtlich in ihrer Regelwut nicht mehr nachdenken.
1. Woher nimmt die Kommission die 80 Milliarden Euro? Antwort: Vom europäischen Steuerzahler. Das heißt: Die Kaufkraft wird erst bei den Bürgern abgeschöpft, um sie dann an die Aktionäre der Automobilkonzerne zu verteilen. Wobei der deutsche Steuerzahler die höchsten Beiträge leistet, die italienischen und französischen Autobauer am meisten bekommen.
2. Warum betteln Konzerne um Steuergeld? Richtig ist, der Pkw-Absatz in Europa sinkt. Von 16 Millionen Neuzulassungen 2007 auf voraussichtlich 8,6 Millionen 2012. Das hat sicher auch die Absatzkrise in Südeuropa verursacht. Aber das ist auch eine Folge der Abwrackprämie, als allein in Deutschland mit fünf Milliarden Euro der Kauf von 500?000 Autos unterstützt wurde. Diesem massiven Eingriff in den Markt folgt jetzt die Absatzkrise vor allem bei Klein- und Mittelklassewagen. Dazu kommt, dass die Bevölkerung Europas schrumpft und überaltert. Die Folge: Mehrere Automobilwerke wurden schon geschlossen oder stehen kurz vor dem Ende. Eine Auswahl:_Ford in Genk, Belgien (4300 betroffene Beschäftigte);_Fiat in Italien: Termini Imerese, (1600); Peugeot in Frankreich: Aulnay sous Bois (3000); GM-Opel in Deutschland: Bochum (3100). Dazu kommen noch zehntausende Beschäftigte in Kurzarbeit, allein bei Fiat in Turin sind es 5000.
Was auffällt: Fast alle Werkschließungen befinden sich in strukturschwachen Gebieten. Das wiederum verleitet die Politiker dazu, sich als Retter aufzuspielen. Sizilien hat zum Beispiel 400 Millionen Euro angeboten, wenn das Fiat Werk in Termine Imerese nicht geschlossen wird. Frankreichs Premier Hollande solidarisiert sich mit den Arbeitern in Aulnay, und wir alle erinnern uns noch, als Frau Merkel Opel gerne unterstützt hätte. Die Frage nach der Hilfe für die Konzerne muss so beantwortet werden: Die europäische Autoindustrie muss ihre Überkapazitäten abbauen, will dafür aber Geld, weil die Politiker anbieten, sich damit beliebt zu machen.
3. Was macht die Politik für die Automobilindustrie, außer Steuergelder zu verjubeln?_Antwort: gar nichts. Im Gegenteil. Sie bekämpft den Individualverkehr mit allen Kräften. Der grünen Front ist es gelungen, das Auto als den Umweltsünder schlechthin zu diffamieren. Bleiben wir bei Deutschland. Knapp 50 Milliarden Euro werden den Autofahrern jährlich als Mineralöl-, Versicherungs- und Kfz-Steuer plus Lkw-Maut abgenommen, aber nur rund 4 Milliarden Euro werden in den Straßenverkehr investiert. Dafür erhält allein die Bahn gut 25 Milliarden Euro Subventionen, vom öffentlichen Nahverkehr ganz zu schweigen. Diese Summe kennt wahrscheinlich kein Politiker, weil sie sich auf Bund, Länder und Kommunen verteilt und dort in vielen Haushaltsposten versteckt ist.
Der Verkehrsausschuss im Bundestag wurde den Autofeinden der Grünen überlassen, und zum Verkehrsminister in Baden-Württemberg wurde mit dem Grünen Winfried Herrmann ein ausgesprochener Feind des Straßenbaus ernannt, angeblich wegen der Umwelt. Dabei ist längst erwiesen, dass nichts so umweltfreundlich für die Fahrt zum Arbeitsplatz ist, wie ein vollbesetzter Pkw.
Die Lösung für die Automobilindustrie: raus aus staatlichen Zielvorgaben, weg mit pseudoreligiösen angeblichen Umweltbelastungen, hin zu mehr Markt und unternehmerischer Verantwortung. Europas Automobilindustrie wäre dann kleiner, umweltfreundlicher, innovativer – und keine Branche, die Milliardensubventionen für unternehmerische Fehlentscheidungen mehr erhalten würde.
Zuerst erschienen in der Fuldaer Zeitung (10. November 2012)