Kaum laufen unanständige Schiebereien zwischen den Koalitionspartnern der Bundesregierung, ist es da, das böse K-Wort. Zuletzt gestern, als im Kanzleramt zwischen FDP, CDU und CSU ein unsägliches Geschachere um das noch unsäglichere Betreuungsgeld, den Wegfall der Praxisgebühr und um andere Wahlgeschenke über die Bühne ging. Bei aller unterschiedlicher Bewertung – ein Begriff tauchte in der Kommentierung fast überall auf: „Kuhhandel“.
Genau, möchte man dem voller Zorn beipflichten, das war ein klassischer Kuhhandel: Aber Moment: Wieso eigentlich? Wieso Kuhhandel? Was treiben sie denn so schlimmes, die Händler, die etwas kaufen und verkaufen, was seit der Neolithischen Revolution vor 12.000 Jahren zur Grundlage unserer Nahrung gehört: Das liebe Vieh nämlich. 12,5 Millionen Kühe gibt es in Deutschland, weltweit 1,5 Milliarden, ständig umgesetzt vom Kuhhandel, davon lebt er.
Warum ist es nicht der nicht ein “Gebrauchtwagenhandel”, den die Koalition gestern vereinbart haben? Ein “Drogenhandel”, “Diamantenhandel”, “Gurkenhandel”, oder anderes, wo es um viel geht? “Menschenhandel” vielleicht?
“Keine Ahnung, warum die immer vom Kuhhandel reden“, heißt es beim Deutschen Vieh- und Fleischhandelsbund, „die meinen das abwertend, oder?“ Genau. „Ein
büschn blöd ist das für uns“, sagt in knappem Norddeutsch am Telefon Hubert Hillmann aus Damme bei Vechta, einer der Größten der Branche. „Wir haben eben keine Lobby in der Presse“.
Eigentlich gibt es gar keinen Kuhhandel, jedenfalls keinen richtigen, wo es um Rinder geht. In den Lexika sucht man das Stichwort vergebens. Sogar im allwissenden Wikipedia steht nur: „Kuhhandel: ein durch undurchsichtige Abläufe, insbesondere den Einbezug von Neben- und Zusatzvereinbarungen geprägter Tausch.“ Kuhhandel also immer nur ohne Kuh?
Stimmt auch gar nicht, das mit den Nebenabsprachen, heißt es beim Viehhändler-Verband, „ein Handschlag und alles ist klar, so läuft das bei uns.“
Liegt das zwielichtige Bild der Branche wirklich nur daran, dass die Kuhhändler keine Lobby in der Presse haben, dass sie nicht zwei, drei Mal im Jahr bei uns Zeitungsfritzen zum Redaktionsbesuch vorbeischauen, mit ein paar Pfund grober Rindsleberwurst in der Aktentasche? Das kann schon sein, liebe Kuhhändler!
In England scheinen es jedenfalls die Pferdehändler zu sein, die die Medienarbeit vernachlässigen. Wenn dort die Regierung sich solche Dinge leisten würde wie die unsere am gestrigen Sonntag, dann wäre dies ein „Horse Trade“ gewesen. Alles ein wenig beliebig, wie mir scheint.
Und es war ja auch schon mal anders. In früheren Zeiten, als die Wörter erfunden wurden, hatten die Kuhhändler noch eine bessere Presse. Wohlgemerkt hat das Wort „Kapital“ den selben Ursprung wie „Cattle“, wie die Übersetzung von Rind auf englisch lautet – der Sprache des Landes mithin, in dem der Kapitalismus erfunden wurde. Die Kuhhändler waren es also, die die ursprüngliche Akkumulation besorgten, aus dem die Industrielle Revolution finanziert wurde, wegen der wir heute ein Auto und eine elektrische Zahnbürste haben. Und das ist jetzt der Dank?
Bei den Worten Pecus (das Vieh) und Pecunia (das Geld) ist es genauso. Wahrscheinlich kommt daher auch der Spruch “Pecunia non olet” – Geld stinkt nicht, ein wohl nötiger Hinweis, weil die etymologische Verwandtschaft, das Vieh, eben doch stinkt.
Selbst Kurt Weills Operette mit dem Namen „Kuhhandel“ hat es nicht vermocht, die Branche salonfähig zu machen. Deshalb wird der Kuhhandel wohl in der Ecke bleiben, in der er heute ist. Bis mal jemand mit der groben Leberwurst in der Aktentasche vorbeikommt. Dann wird alles anders. Dann nehmen wir uns die Gurkenhändler vor. Versprochen.
Oder wir nennen soetwas gleich beim Namen, und können dabei auch beim K-Wort bleiben: Koalitionshandel statt Kuhhandel.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT