Maxeiner & Miersch / 03.11.2012 / 17:13 / 0 / Seite ausdrucken

Haftung für falsche Propheten

Ein italienisches Gericht verurteilte kürzlich sieben Wissenschaftler zu hohen Haftstrafen, weil sie es angeblich versäumt hatten, ein schweres Erdbeben vorherzusagen, das im Jahr 2009 die Abruzzenstadt L’Aquila zerstörte. Die seismologische Analyse der Experten, sagte der Staatsanwalt,  sei fehlerhaft, nutzlos und widersprüchlich gewesen. Eindeutig ein Fehlurteil, denn jedermann weiß, dass es bis heute leider unmöglich ist, Erdbeben vorauszusagen.

Man stelle sich vor, das Rechtsverständnis dieser italienischen Juristen wäre allgemeine Praxis. Wie viele hoch angesehene Experten säßen wohl im Knast? Denn folgenschwere Fehlprognosen gab es in den vergangenen Jahrzehnten etliche. Die falschen Propheten blieben nicht nur straffrei, sie werden nach wie vor hoch geehrt.

Nehmen wir nur den überaus medienpräsenten Klimaforscher Mojib Latif. Er sagte im Jahr 2000 voraus: „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben.“ Könnte ja sein, dass so mancher das glaubte und auf dieser Basis Entscheidungen über ein neues Heizsystem traf. Pech gehabt. Inzwischen hat Professor Latif herausgefunden, dass die globale Erwärmung zu kälteren Wintern führt.

Auch Dennis Meadows lag falsch, als er im Auftrag des Club of Rome den Weltbestseller „Die Grenzen des Wachstums“ verfasste. Darin sagte er voraus, dass alle wichtigen Rohstoff bis zum Jahr 2000 aufgebraucht oder extrem knapp sein werden. Nichts davon trat ein. Und was ist aus Meadows geworden? Er verbreitet seine alten Thesen in neuem Gewand in den Broschüren von Chemie-Konzernen und auf deutschen Journalistenkongressen, wo er offenbar vor kritischen Fragen sicher sein kann.

Ähnlich unangefochten blieb die kleine Gruppe deutscher Professoren, die als wissenschaftliche Kronzeugen des Waldsterbens auftrat. Als das Bundesamt für Statistik längst bekannt gegeben hatte, dass der deutsche Wald sich immer weiter ausdehnt, statt zu schrumpfen, ehrte man weiterhin die Erfinder des Waldsterbens mit Preisen und akademischen Weihen.

Heutige Klimaforscher haben einen genialen Ausweg aus dem Prognose-Risiko gefunden. Die globale Erwärmung, sagen sie jetzt, werde zu mehr Extremwetterereignissen führen. Egal ob es stürmt oder schneit, die Sonne brennt oder zu viel Regen fällt. Man ist damit immer auf der sicheren Seite. Diese Allzweckprognose würde sogar vor italienischen Richtern standhalten.

Erschienen in DIE WELT am 02.11.2012

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