Henryk M. Broder / 25.07.2009 / 16:46 / 0 / Seite ausdrucken

Boris Palmer Is Not Amused

sehr geehrter herr palmer,
ich arbeite an einem hintergrundbericht über den fall felicia langer für das wall street journal europe und wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mir vier fragen beantworten würden:
1. war ihnen zum zeitpunkt des antrags, frau langer das bvk zu verleihen, bekannt, dass frau langer vor drei jahren den “menschenrechtspreis” der “Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V.” erhalten hat, einer vereinigung ehemaliger stasi-mitarbeiter?
2. war oder ist ihnen bekannt, dass frau langer die rede des iranischen präsidenten bei der “durban-2-konferenz” in genf ausdrücklich als einen beitrag zum frieden gelobt hat, während sie in den meisten medien vor allem als anti-israelische hetze aufgenommen wurde?
3. sind ihnen die gründe bekannt, die frau langer bewogen, 1990 von israel in die bundesrepublik zu ziehen?
4. kennen sie einen einheimischen deutschen kommunisten, der für seinen einsatz um die menschenrechte mit dem bvk erster klasse ausgezeichnet wurde?
und schließlich:
5. sind ihnen die fälle “Hans Ernst Schneider alias Hans Schwerte” und “Heinrich Wilhelm August Bütefisch” bekannt?

ich möchte gerne versuchen, dann fall lange zu entskandalisieren und als das darzustellen, was er vermutlich ist: eine vermeidbare panne in der kommunikation unter behörden.
für eine rasche antwort wäre ich ihnen sehr dankbar
henryk m. broder, berlin, 21.7.09


Sehr geehrter Herr Broder,
Gegenfrage: Glauben Sie, ich hätte noch nie einen Artikel von Ihnen gelesen und würde nicht erkennen, was Sie wirklich beabsichtigen?
Ihr Ziel ist doch nicht die Entskandalisierung, ich bitte Sie.

Werden Sie auch darüber schreiben, dass die von Hass geprägten Reaktionen einiger Langer-Kritiker so weit gehen, sie in eine Reihe mit Adolf Hitler zu stellen?
Sind Sie nicht auch der Meinung, dass ich sofort zurückreten müsste, wenn ich sagen würde: “Wir haben Hitler und Stalin überlebt, wir werden auch Achmadinedschad und Henryk M Broder überleben”? Über Felicia Langer darf man das aber sagen und dabei sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben und niemand stört sich daran?

Ich stehe Ihnen morgen für ein Telefonat zur Verfügung, wenn Sie das wünschen. Einstweilen kann ich Ihnen versichern:
Ich kenne Felicia Langer und Ihren Mann persönlich. Ich weiß, dass ihr Motive nicht Hass, sondern Mitmenschlichkeit ist.
Es geschieht ihr Unrecht, wenn ihre Kritik an Israels Politik mit der Absicht, Israel zu vernichten, gleichgesetzt wird.
Ich weiß um die Traumatisierung vieler Israelis und Juden durch den Holocaust und die bis heute anhaltende Bedrohung der Existenz des israelischen Staates.
Deshalb verstehe ich die Reaktionen, aber ich halte sie nicht für richtig. Die Existenz Isreals wird sicherer sein, wenn Kritik nicht mehr mit Vernichtung gleichgesetzt und
Meinungsfreiheit respektiert wird, auch wenn die Meinung einseitig oder zugespitzt formuliert wird.  Frau Langer hat das Bundesverdienstkreuz zu Recht erhalten.

Wahrscheinlich genügt Ihnen das ohnehin völlig für den Zweck Ihres Artikels.

Mit freundlichen Grüßen
Boris Palmer
Oberbürgermeister
Universitätsstadt Tübingen
21.7.09


sehr geehrter herr palmer,
ein kurzer nachtrag zu meiner mail, die ich vor einer stunde an sie geschickt habe: ist ihnen bekannt, dass frau langer ein “vorwort” zu einem buch des düsseldorfer politikers jamal karsli geschrieben hat, der mit seinen antisemitischen äußerungen zuerst die grünen und dann fdp in nrw kompromittiert hat? http://www.karsli.net/?p=165
bleiben sie dennoch bei ihrer einschätzung, frau langer sei keine antisemitin?
fragt sich
hmbroder
21.7.09


Sehr geehrter Herr Broder,
An meiner Meinung ändert sich auch durch diesen weiteren Scheinbeleg nichts. An meiner Meinung zu Ihrer Interviewtechnik auch nicht.
Statt Suggestivfragen könnten Sie ja doch echtes Erkenntnisinteresse zeigen.

Wieso unterstützt ein grüner Oberbürgermeister diese Ehrung?
Welche persönliche Geschichte hat er?
Wie gut kennt er Frau Langer?

Und nebenbei: Müssten Sie sich nicht auch wie Frau Langer fragen lassen, was Sie mit Ihren Artikeln bewirken und wer sich auf Ihre Seite schlägt? Aktuelle Kostprobe aus meinem Maileingang:

Boris Palmer,
du hast dieser dreckigen Langerschlampe das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Das macht dich zum schmierigen, widerlichen, übelen, kleinen Judenhetzer in der Tradition von Streicher/Stürmer die bei Bündnis 90/die Grünen weiterhin hochgehalten wird. .

Grünlinks wichsende Gutmenschen so wie du sind die schlimmste Plage die dieses Land seit Adolf Hitler heimgesucht hat.

Jetzt hau ab und sorge dafür dass diese Schlampe das BVK wieder aberkannt bekommt.

Fuck Islam !

Können Sie sich vorstellen, was Frau Langer alles aushalten muss?
Passt aber bestimmt nicht in die schon fertige Geschichte. Also, nur zu.

Mit freundlichen Grüßen
Boris Palmer
Oberbürgermeister
Universitätsstadt Tübingen
21.7.09


sehr geehrter herr palmer,
ich fliege gleich nach amsterdam und morgen weiter nach boston. ich komme deswegen nicht dazu, sie anzurufen. im übrigen würde ich sie gerne wörtlich zitieren und wäre ihnen deswegen dankbar, wenn sie sich doch noch dazu durchringen könnten, meine fragen zu beantworten.
alles übrige später.
mit dank und gruss
hb
22.7.09


Sehr geehrter Herr Broder,
Ich habe Ihre Fragen beantwortet. Fragebogen fülle ich nicht aus.
Guten Flug!
Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer
Oberbürgermeister
Universitätsstadt Tübingen
22.7.09

Sehr geehrter Herr Broder,
Ihr Artikel zur “Entskandalisierung” ist ja nun erschienen. Ihre Meinung respektiere ich. Aber Ihre Form der Recherche sollten Sie mal reflektieren.
Sie wollten Ihr Zitat, Sie haben am Ende das genommen, was irgendwie noch in den Artikel passte. An meiner Position und meiner Person hat sie nie etwas interessiert.
Ihre Meinung war vorgefasst. Gegenargumente interessieren Sie nicht. Mit Frage 5 stellen Sie Felicia Langer, ein Opfer des Holocaust, in eine Reihe mit Nazi-Verbrechern.
Das alles lässt nur einen Schluss zu: Sie gehören zu den Menschen, denen jedes Mittel Recht ist. Das ist die Vorstufe zu totalitären Denkmustern.
Die Kampagne, deren Teil und Mitinitiator Sie sind und die sich in Beleidungsemails übelster Sorte in meinem Posteingang abbildet, schadet Israel mehr als jedes Wort von Felicia Langer.
Sie tragen dazu bei, dass es in Israel keine kritische Debatte über die Politik des eigenen Staates geben darf. Das macht Israel empfänglich für falsche Konzepte der Eskalation.
Sie sind Stichwortgeber für ein Netzwerk von Hasspredigern. Sie liefern den wirklichen Israel-Hassern Munition.
Ich finde das beschämend und traurig. Besonders, weil es mit dieser empörten moralischen Selbstgerechtigkeit daher kommt.
Vielen Dank für alles. Ich habe viel gelernt in den letzten zehn Tagen. Für möglich gehalten hätte ich das nicht.
Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer
Oberbürgermeister
Universitätsstadt Tübingen
23.7.09

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